File:Kammergericht Berlin 10 U 55-11 vom 15. Dezember 2011.pdf

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Deutsch: Urteil des Kammergericht Berlin 10 U 55/11 vom 15. Dezember 2011, vorgehend LG Berlin 27 O 106/11
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Source Kammergericht Berlin
Author Kammergericht Berlin
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Kammergericht

Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer:

10 U 55/11

2 7 O 106/11 Landgericht Berlin

verkündet am 15. Dezember 2011 Bels

In dem Rechtsstreit

Des Herrn Markus Grill

xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

Antragsgegners und Berufungs- klägers,

- Prozessbevollmächtigte: xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

- gegen

den Herrn Jobst Spengemann

xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

Antragsteller und Berufungsbe- klagten,

- Prozessbevollmächtigte: xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

hat der 10. Zivilsenat des Kammergerichts, Elßholzstraße 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Neu- haus, den Richter am Kammergericht Thiel und die Richterin am Kammergericht Schönberg

für Recht erkannt:

Die Berufung des Antragsgegners gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. März 2011 -27 0 106/11 - wird z u ru c k g e w i e s e n, zu Zifferl der einstweiligen Verfügung vom 22. Februar 2011 allerdings mit der Maßgabe, dass dem Antragsgegner bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwider- handlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ord- nungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, untersagt wird, in Bezug auf den Antragsteller zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder behaupten und/oder verbreiten zu lassen„ErststreitetMassaadmitZyoPharmaumGeld,danndrehtMassaadsguterBe-kanntereinenkritischenBerichtüberdasUnternehmen?Die.Frontal21'–MacherhaltendasebenfallsfürpurenZufall.”, Der Antragsgegner hat die Kosten der Berufung zu tragen. Gründe: (Ohne Tatbestand gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz I ZPO) I. Die gemäß § 511 ZPO statthafte Berufung des Antragsgegners ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht im Sinne der § 517, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden. Il. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Dem Antragsteller steht der auf § 823 Abs. 1, analog 1004 Abs. i S. 2 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. i CG gestützte Anspruch auf Unterlassung der Äußerungen gegen den Antragsgegner zu, denn die in dem in der Zeitschrift ,DerSpiegel'Nr.6/2011bzw. auf www.spiegel.de veroffentlich- JV 5312 3 ten Artikel„MalPR-Agent,alsReporter”enthaltenen streitgegenständlichen Äußerungen verletzt ihn in seinem Persönlichkeitsrecht. 1. Hinsichtlich des mit dem Antrag zu Ziffer 1 verfolgten Unterlassungsanspruchs vermag der Se- nat allerdings dem Landgericht insoweit nicht zu folgen, als das Landgericht davon ausgegangen ist, dass durch die streitgegenständliche Äußerung der unzutreffende Eindruck erweckt werde, dass das Motiv des Antragstellers für den Frontal 21"- Beitrag eine von Zyo Fharma nicht begli- chene Reisekostenrechnung seines Geschäftspartners Adel Massaad gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofes ist bei der An- nahme einer solcher verdeckten Behauptung eine besondere Zurückhaltung geboten: Eine im Zusammenspiel der offenen Aussagen enthaltene zusätzliche eigene Sachaussage des Autors muss die Grenzen des Denkanstoßes überschreiten und sich dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahe legen (vgl. BVerfGE 43, 130, 139; NJW 2004, 1942-1 943; BGHZ 78, 9, 14 f.; AfP 1994, 295, 297; 299, 301; NJW 2000, 656, 657). Davon kann hier nicht ausgegangen wer- den. Durch die Äußerung Erst streitet Massaad mit Zyo Fharma um Geld, dann dreht Massaads guter Bekannter einen kritischen Bericht über das Unternehmen? Die Frontal 21'- Macher halten das ebenfalls für puren Zufall." wird dem Leser zwar ein möglicher oder auch nahe liegender Zu- sammenhang zwischen der Nichtbegleichung einer Rechnung Massaads und dem Beitrag des Antragstellers offeriert. Letztlich bleibt aber offen, ob ein solcher Zusammenhang besteht, zumal dem Leser mitgeteilt wird, dass der Antragsteller den ins Visier von Zyo Pharma geratenen miss- liebigen Zeugen schon vor Massaads Besuch bei Zyo Pharma gewarnt haben will und der Zeuge dies bestätigen würde. Wie der Antragsgegner meint, handelt es sich deswegen vorliegend um eine Verdachtsberichter- stattung. Der geäußerte Verdacht bezieht sich allerdings nicht nur, wie der Antragsgegner ein- räumt, auf das Zusammenwirken zwischen dem Antragsteller und Herrn Massad in der Vergan- genheit und der möglicherweise zentralen Rolle des Massaad als Informant bei den Recherchen für den Frontal 21'- Beitrag. Er erstreckt sich auch auf das Motiv des Antragstellers für diesen Bericht. Anders ergibt die Erwähnung der unbezahlt gebliebenen Rechnung keinen Sinn. Die Voraussetzungen für eine solche Verdachtsberichterstattung liegen nicht vor. Denn es fehlt bereits an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen dafür, dass die unbezahlt ge- bliebene Rechnung des Massaad ein oder das Motiv für den Bericht des Antragstellers gewesen ist. Die frühere Zusammenarbeit des Antragstellers mit Herrn Massad reicht hierfür ebenso wenig aus wie der zeitliche Zusammenhang zwischen den Recherchen des Antragstellers und dem Kontakt des Herrn Massaad mit Zyo Pharma oder die Herkunft der vom Antragsteller in dem Frontal 21 "-Beitrag verwendeten Unterlagen von Zyo Pharma. Dies vermag allenfalls eine Zu- sammenarbeit des Antragstellers mit Herrn Massaad, nicht aber das dem Antragsteller unterstellte v 4 Motiv für die Erstellung des Frontal 21-Beitrags zu belegen. Auch die gegen den Antragsteller im Zusammenhang mit dem Streit um die Herstellung analoger Insuline gemachten Vorwürfe haben mit dem hier geäußerten Verdacht nichts zu tun: Der Senat hat bei der Abfassung des Tenors von dem ihm gemäß § 938 Abs. I ZPO eingeräum- ten Ermessen Gebrauch gemacht. Der Antragsteller hat die streitgegenständliche Äußerung auch unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung angegriffen, wie sich be- reits aus den Ausführungen auf den Seite 8 der Antragsschrift ergibt. Ob die angegriffene Äuße- rung als Eindruckstatsachenbehauptung oder als Verdachtsberichterstattung anzusehen ist, ist eine Rechtsfrage, die der Senat wie ausgeführt beantwortet. Ein Teilunterliegen des Antragstellers liegt insofern nicht vor. 2. Der mit dem Antrag zu Ziffer 2 geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Antrags- gegner steht dem Antragsteller gemäß § 823 Abs. 1, analog 1004 Abs. 1 5. 2 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 0G zu. Die Äußerung verletzt den Antragsteller in seinem Persönlichkeitsrecht. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die angegriffene Unterüberschrift des Artikels Das TV-Magazin Frontal 21' enthüllte, wie eine Pharmafirma Journalisten instrumentali- sieren wollte. Doch der Autor des Beitrags machte einst das Gleiche." einen Eingriff in das Per- sönlichkeitsrecht des Antragstellers darstellt. Zutreffend geht es davon aus, dass die Äußerung als zusammenhängendes Ganzes unter Berücksichtigung des Kontextes und der Begleitumstände zu würdigen ist, soweit diese für den Rezipienten erkennbar sind (vgl. BVerfG NJW 1995, 3003, 3005; Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 4 Rn 1 m.w.N.). Bei einem Artikel, der in mehreren Sätzen einen einheitlichen, erst durch den Zusam- menhang voll verständlichen Gedanken wiedergibt, dürfen nicht einzelne Sätze isoliert betrachtet werden, sondern es ist auf den zusammenhängenden Text abzustellen (vgl. BGH NJW 1996, 1131, 1133; NJW 2000, 1026). Danach ist davon auszugehen, dass der hier maßgebliche, unvoreingenommene Durchschnittsle- ser den Beitrag dahingehend versteht, dass der Antragsteller in der Vergangenheit von Pharma- firmen beauftragt wurde, um Kritiker in den Medien zu diskreditieren. Zwar weist der Antragsgeg- ner zu recht darauf hin, dass die Formulierung Journalisten instrumentalisieren" substanzarm und auslegungsbedürftig ist. Nicht gefolgt werden kann dem Antragsgegner jedoch, wenn er meint, unter instrumentalisieren" sei lediglich ein nachdrückliches argumentatives Einwirken auf Journa- listen zum Nutzen Dritter zu verstehen. Denn die Bedeutung des Begriffs ergibt sich hier aus dem Inhalt des streitgegenständlichen Artikels, der zur Auslegung heranzuziehen ist. Bereits im ersten Absatz wird ausgeführt, dass in der Berichterstattung von Frontal 21' gezeigt worden sei, dass der v 531 5 Geschäftsführer von Zyo Pharma, Journalisten angeheuert habe, um einen missliebigen Zeugen in den Medien fertigzumachen". Zitiert wird die Äußerung des Geschäftsführers aus dem Beitrag wörtlich mit dem Satz Wie können wir dem mal zeigen, wo es langgeht, und dem eine überbra- ten?" Im zweiten Absatz des Artikels wird mitgeteilt, dass der Antragsteller früher selbst ähnliche Kampagnen gegen Pharmakritiker mitplante". Konkret wird der Beitrag des Antragstellers mit der Zuleitung von Informationen an den hiesigen Antragsgegner im Jahr 2006 begründet, in dem es darum gegangen sei, einen unabhängigen Medikamentenprüfer zu diskreditieren". In der rechten Spalte des Artikels ist zudem von einem Zeugen die Rede, der Opfer der Schmutzkampagne" werden sollte. Der unvoreingenommene Durchschnittsleser versteht die streitgegenständliche Äu- ßerung dahingehend, dass der Antragsteller in der Vergangenheit gegen Bezahlung von Pharma- firmen deren Kritiker öffentlich diskreditiert habe, indem er Schmutzkampagnen mitgeplant und - im Jahr 2006 - auch manipulierte Informationen an einen Journalisten - den Antragsgegner - weitergeleitet habe. Aufgrund dieses, sich unmittelbar aus dem Artikel ergebenden Verständnisses der streitgegen- ständlichen Äußerung kommt es auf die im Beitrag von Frontal 21' beschriebenen Methoden der Diskreditierung nicht an. Es kann daher auch dahinstehen, ob diejenigen Leser, die den (drei Wo- chen vor Erscheinen des Artikels gesendeten) Beitrag wahrgenommen haben oder diesen in der ZDF-Mediathek abgerufen haben, ein über den Inhalt des Artikels hinaus gehendes Verständnis des Begriffs ,,instrumentalisieren" haben. Die streitgegenständliche Behauptung verletzt den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht. Denn durch die Berichterstattung entsteht der Eindruck, der Antragsteller habe unwahre bzw. erfundene Informationen über Kritiker der Pharmaindustrie an Journalisten weitergegeben, damit die Betrof- fenen durch die von ihm initHerten ,,Schmutzkampagnen" in der Öffentlichkeit diskreditiert würden. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass es sich um unwahre Behauptungen handelt und er nicht im Auftrag der Pharmaindustrie versucht hat, Journalisten zu diskreditierender Berichter- stattung über Dritte zu veranlassen. Er hat sich in der eidesstattlichen Versicherung vom 15. Fe- bruar 2011 zu den Umständen der Weiterleitung von Informationen an den Antragsgegner im Jahr 2006 geäußert. Danach habe er diesen lediglich auf die einander widersprechenden Gutachten des Professor Sawicki hingewiesen und Unterlagen, die Herr Massaad dem Antragsgegner zuge- sagt hatte, an diesen weitergeleitet, Zwar erscheint die Behauptung, es habe sich bei der Über- sendung der Informationen lediglich um einen Freundschaftsdienst" gehandelt, unter Berücksich- tigung der von dem Antragsgegner vorgelegten Emails des Antragstellers zweifelhaft. Denn diese lassen ein eigenes Interesse des Antragstellers an der Berücksichtigung der Informationen erken- nen. Jedoch ist nicht ersichtlich, dass die Übermittlung von wissenschaftlichen Gutachten, auch v Sai JV 531 rtigt izobersekretärin 6 wenn diese widersprüchlich seien sollten, eine Maßnahme ist, die der bewussten Diskreditierung des Gutachtenerstellers dienen soll. Das Landgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es bei der im Jahr 2006 weitergegebenen Information inhaltlich allein darum gegangen sei, dass Professor Sawicki im Jahr 2001 den positiven Nutzen von Insulinanaloga bestätigt habe, diesen hingegen als Leiter des IQWiG nicht mehr als gegeben ansah. Die Informationen mögen eine kri- tische Auseinandersetzung mit den Gutachten des Professor Sawicki bezweckt haben. Eine sol- che kritische Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen ist jedoch stets zulässig. Sie entspricht gerade nicht manipulierten Äußerungen über eine Person mit dem Ziel diese in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Dass die vom Antragsteller glaubhaft gemachten Umstände der Weitergabe der Informationen im Jahr 2006 unzutreffend sind, ergibt sich auch nicht aus der ei- desstattlichen Versicherung des Antragsgegners vom 14. März 2011. Denn daraus folgt lediglich, dass der Antragsteller ihn im Auftrag des Herrn Massaad angerufen habe, und mitgeteilt habe, Professor Sawicki habe für das Insulin-Gutachten fünf Studien ausgewertet, von den vier von ei- nem Herrn Heinemann stammten. Herr Heinemann habe sich von Professor Sawicki distanziert. Eine manipulative, bewusst auf Diskreditierung des Professor Sawicki gerichtete Information durch den Antragsteller lässt sich daraus nicht herleiten. Diese ergibt sich im Übrigen auch nicht aus der zunächst erfolgten Mitteilung über eine Patenschaft des Herrn Heinemann für ein Kind des Pro- fessor Sawicki. Wie das Landgericht zutreffend ausführt, hat der Antragsteller diese Behauptung einen Tag später widerrufen. Auch soweit der Antragsgegner darauf abstellt, dass die Informationen des Herrn Massaad bzw. des Antragstellers über die vom IOWiG geprüften Insulinanaloga falsch gewesen seien und nicht in den Bericht des Stern" übernommen wurden, ist dies nicht geeignet, eine bewusste Manipulati- on durch den Antragsteller zu belegen. Es ist Aufgabe eines Journalisten ihm mitgeteilte Informa- tionen auf ihre Richtigkeit zu prüfen und sie ggf. nicht oder nur eingeschränkt zu verwenden. III. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Neuhaus Thiel Schönberg

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