File:Musteraufsätze 1913 von Theodor Paul - Seite 412.jpg

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ren Gäste setzen, begibt sich der Redner zu dem oder der Gefeierten und stößt mit Vorsicht an. In der Regel wird dann der Redner noch der Reihe nach mit den übrigen Gästen anstoßen — sie dabei offen ansehen und sich vor ihnen verneigen! — oder ihnen wenigstens über Tische Wohlsein zunicken. Jede Hast ist bei allen diesen Bewegungen zu vermeiden. Hat ein Redner gesprochen, so muß erst eine genügende Pause folgen, ehe sich ein anderer Redner erhebt und in gleicher Weise seinen Trinkspruch ausbringt. Nochmals sei bemerkt: Je kürzer, prägnanter und inhaltsvoller der Toast ist, desto bessere Aufmerksamkeit und Ruhe wird dem Redner entgegengebracht. Fünftens ist erforderlich: H a l t e deinen Körper in Zucht, benutze in rechter Weise Auge und Hand! Ein Redner, der sich lässig hinstellt, sich wiegt und biegt wie ein Taumelnder, dessen Kopf niedergebeugt ist, dessen Auge nicht offen in die Gesellschaft blickt, dessen Kleidung nicht tadellos sitzt — wird selten andächtige Hörer haben. Die Serviette wird während der Rede auf den Tisch gelegt. Eine Hand kann leicht die Kante des Tisches berühren, während die andere leichte, gefällige Bewegungen ausführen darf. Alles „Theatralische" stört und reizt die Hörer zum Lächeln. Nichts Schlimmeres gibt es aber, als wenn ein Tischredner ausgelacht wird ! Der Effekt seiner Rede ist verloren! Messer und Gabel, auch das Glas dürfen nicht in der Hand gehalten werden. Das Auge soll der Spiegel der Seele sein und muß, wie oben schon bemerkt wurde, offen auf die Gäste oder die gefeierte Person gerichtet sein. Räuspern, Husten, Niesen ist während der Rede sowohl beim Redner wie bei den Gästen streng verpönt. Die Nachbarn darf man nicht stoßen, auch nicht der nebensitzenden Dame auf die Kleidung treten. Der Stuhl wird während des Trinkspruchs etwas zurückgeschoben. Als sechste Regel stelle ich auf: Sprich frei! Im vorliegenden Buche sind mehrere hundert Musterreden vereinigt. Niemals darf man diese Muster so mechanisch auswendig lernen, daß man dabei das Eingelernte heraushört. Selbst wenn der Wortlaut vollständig den Mustern entnommen ist, muß die Rede so gehalten werden, daß sie als selbständiges, freies Erzeugnis des eigenen Geistes, als Ausdruck der ureigenen persönlichen Gedanken erscheint. Dadurch wird die Freiheit des Inhalts gewahrt. Aber auch der Vortrag muß ein freier sein! Es ist niemals eine Rede vom Blatt oder vom Notizzettel, womöglich aus dem Buche abzulesen! Wer nicht-

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